Erlebnisbericht von Jonas Krieger
(BASF Auszubildender, Mechatroniker im 2. Lehrjahr)
Projektwoche „open up!“: 10. – 14.10.2016
Wir waren eine Woche lang in einer Einrichtung der Ludwigshafener Werkstätten eingesetzt. Morgens hat es schon angefangen: Wir wurden von jedem begrüßt, egal ob sie uns kannten oder nicht. Auf der Arbeit bei uns ist so viel Freundlichkeit nicht immer drin. Das hat mich sehr gefreut!
Die Arbeit, die gemacht werden musste, wurde von jedem angenommen. Es gab die komplette Woche lang überhaupt keine Streitereien, außer wenn jemand absichtlich etwas angerichtet hat. Die Arbeiten dort waren vielfältig: Vom Verpacken von Mercedes-Benz Ersatzteilen bis hin zur Zusammensetzung von Filterkomponenten. Die Betreuer standen helfend zur Seite und es gab viel zu lachen. Nicht über die Behinderungen der Arbeiter, sondern über ihre teilweise kuriosen Handlungen. Es wird dort niemand zur Arbeit gezwungen. Man will den Menschen nur ermöglichen, etwas zu tun, als nur abgeschoben und ohne Wirken daheim zu sitzen und Trübsal zu blasen. Dennoch gingen die zu bearbeitenden Aufträge sehr schnell von statten.
Mittags gab es für die komplette Belegschaft, die in zwei Schichten aß, warmes, leckeres Essen, das außerhalb zubereitet wurde. Morgens gab es belegte Brötchen für einen sehr humanen Preis, denn die Arbeiter verdienen nicht mehr als hundert Euro im Monat, da der gesetzlich auszuzahlende Betrag bei 80 Euro liegt.
Viele Unternehmen haben hier die Möglichkeit sich zu engagieren, entweder durch das Einstellen von einer gewissen Zahl an eingeschränkten Menschen oder eben durch die Auslagerung von leichten und nicht komplexen Arbeitsschritten in Werkstätten, wie die in Schifferstadt. Mercedes-Benz z.B. lässt dort Ersatzteile für LKW’s einpacken, um diese dann nach Germersheim ins Ersatzteillager zu senden. Henry Ford würde den Kopf schütteln, meinte Beate Kiefer, die leitende Persönlichkeit des Hauses. Hier wird nicht wie am Fließband produziert, sondern je nach Fähigkeit der Arbeiter. Die Betreuer sind notwendig, um die komplexeren Maschinen zum Zusammenkleben der Filterkomponenten zu warten und nachzufüllen. Wenn ein Auftrag fertig wird, werden die ganzen Regularien von ihnen erledigt und der nächste Auftrag vorbereitet.
Wir durchliefen die verschiedensten Stationen. Ich war bei der Konfektionierung, das Verpacken von Autoteilen, in der Kunststoffabteilung, wo die Filter produziert wurden und einen Tag in der Sportgruppe. In der Sportgruppe gab es diverse Möglichkeiten: Yoga, Fußballspielen, Klettern an einer Kletterwand mit drei verschiedenen Schwierigkeitsgraden, abgesichert durch Herr N., einem studierten Sportwissenschaftler und Ergotherapeut, Bogenschießen mit modernen Wettkampfbogen und ein Laufband und einen Crosstrainer, um die behinderten Menschen zu einem gewissen Grad körperlich fit zu halten. Am spannendsten fand ich das Bogenschießen mit einem Blinden. Herr N. gab dazu Anweisungen „nach oben, rechts oder links“ um ihn ins Ziel einzuweisen. Ich bekam auch eine Führung durch das Haus mit verbundenen Augen und Blindenstock. Dabei war Herr N. ziemlich selbstironisch und machte viele Witze auf seine Kosten.
Jeden Freitag gibt es mittags zwei Stunden „Freizeit“. Es gibt diverse Angebote, von Disco über Vorlesestunde bis hin zur Redaktionsstunde für die hauseigene Zeitschrift „Die Trommel“. Zudem geht eine Gruppe in den Wald spazieren, um die Natur kennen zu lernen.
Als Fazit kann ich nur nochmal zum Ausdruck bringen, dass es wichtig ist, selbst die Schwächsten unserer Gesellschaft nicht in der Bedeutungslosigkeit zu verlieren, sondern ihnen ein aktives Mitwirken zu ermöglichen. Große Unternehmen sollten mehr für solche Einrichtungen tun und nicht nur Aufträge aus Kostengründen outsourcen. Ich würde mich nächstes Jahr erneut für eine derartige Erfahrung freiwillig melden.
Bereits seit 2002 kooperiert die BASF SE mit der Agentur mehrwert gGmbH bei der Organisation von Sozialpraktika. Der Chemieriese ermöglicht so jedes Jahr 50 Auszubildenden einen Perspektivenwechsel der besonderen Art. Dieses Jahr wählten die Azubis wieder aus einer Fülle an Angeboten ihren Einsatzort. Neben klassischen Einrichtungen, wie Altenpflegeheimen, Behindertenwerkstätten und Tafelläden, gab es dieses Jahr auch die Möglichkeit sich in einem Wohnheim für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge zu engagieren. Teilnehmerinnen dieses Einsatzortes berichteten im Auswertungsworkshop von sehr eindrücklichen Erlebnissen.
Hier geht´s zu einem Presseartikel der Tageszeitung RHEINPFALZ über „Lernen in fremden Lebenswelten“ http://www.agentur-mehrwert.de/fileadmin/storage/pdf/Unternehmen/Open_up/2016-10-14_Rheinpfalz_Einblicke_in_andere_Lebenswelten.pdf